Ein weites Feld (in >FORUM Gesundheit< der GKK Februar 2006)

Freitag, 14. Juli 2006
Wenn jede Bewegung schmerzt, dann ist es höchste Zeit, sich mit seinem Körper zu beschäftigen. Wenn klassische Therapien nicht mehr helfen, kann die Feldenkrais-Methode Linderung bringen. Geschult wird die große Palette an Bewegungsmöglichkeiten. Gelernt wird, die Selbstverantwortung für den Körper zu übernehmen und gleichzeitig den Geist frei zu bekommen.
Von: MAG. LISA AHAMMER

Wir haben gelernt, uns zu bewegen. Wir haben verlernt, uns leicht zu bewegen. Ohne Schmerzen, bewusst, auf angenehme Art und Weise. Wir sind eingeschränkt, verkrampft, von Schmerzen geplagt, durch Unfälle verletzt. Bewegung tut manchmal verdammt weh. Weil wir sie verlernt haben, sagt Moshe Feldenkrais. Der 1904 geborene und 1984 gestorbene israelische Physiker und Judolehrer hat eine Bewegungslehre entwickelt. Ursprünglich, um nach einer Verletzung am Knie seine eigene Beweglichkeit wiederherzustellen. Seine Theorie: Neues körperliches Verhalten kann sich durch bewusst eingeübte Bewegungsabläufe so einprägen, dass es später automatisch ablaufen kann. Die Erfahrungen, die dadurch im Bereich der Motorik gewonnen werden können, sollen auch die seelische und geistige Mobilität fördern. „Bewusstheit durch Bewegung“ nennt Feldenkrais die nach ihm benannte Methode. Ziel des Feldenkrais-Trainings sind geschmeidige Bewegungen und ein neues, positives Körpergefühl. Außerdem soll man sein Selbstbild und verborgene Fähigkeiten besser kennen lernen.
Bewegung neu lernen
„Die Feldenkrais-Methode ist kein Heilverfahren, ist keine Therapie, sie ist eine Lernmethode, bei der der Patient lernen soll. Bewegungsabläufe zu optimieren“, sagt Doz. Dr. Renate Petschnig, Oberärztin der Physikalischen Medizin am Sozialmedizinischen Zentrum Ost in Wien. Da die Wirksamkeit wissenschaftlich noch nicht belegt ist, wird Feldenkrais noch dem Alternativ-Spektrum zugeordnet. Bei der Feldenkrais-Methode geht es um kleine Bewegungsmuster, um Fühlen und Spüren, um Begreifen. Thorsten Schiffke ist Feldenkrais-Lehrer und betreibt das Feldenkrais-Zentrum in Wien: „Manche Menschen haben als Säugling oder Kleinkind Entwicklungsstufen übersprungen. Es gibt zum Beispiel Kinder, die nicht krabbeln, dafür aber gleich gehen. Es kann später zu Problemen führen. Feldenkrais ermöglicht, diese Bewegungs-Stufe nachzuholen und wieder aufleben zu lassen“. Oder Erwachsene entwickeln im Laufe der Zeit Routine-Bewegungsmuster, vergessen andere. das wirkt sich dann zum Beispiel in der Arbeit aus, wenn sie einseitig sitzen. Oder wieder andere vermeiden aufgrund eines Unfalls oder einer Verletzung bestimmte Bewegungen. Diese gilt es aufzuspüren, zu ändern, zu verbessern. Nicht Muskelkraft und Ausdauer, sondern Intelligenz der Bewegung und Koordination werden gefördert.
Einzel-und Gruppentherapie
Die Feldenkrais-Methode wird in Einzel-oder Gruppenstunden angeboten. „In jeder Stunde werden bestimmte Themenbereiche durchgemacht, etwa Schulter oder Becken. Es werden ganz feine Bewegungen gemacht, diese vielfältig variiert und die verschiedenen Möglichkeiten bewusst gemacht, wie es noch gehen könnte. Dabei sollen die Klienten spüren, was ihnen gut tut, und dieses Bewegungsmuster in ihr Selbstbild übernehmen“, so Schiffke. Die Muskeln werden nicht trainiert, sondern koordiniert. Der Maßstab ist die eigene Empfindung. „Rollen Sie den Kopf und spüren Sie“, heißt etwa eine Anleitung. Dabei ist es wichtig, sich einzulassen und nicht in gewohnte Muster zu verfallen, sondern sich der Wahlmöglichkeiten bewusst zu werden. Dazu hat Moshe Feldenkrais den Satz geprägt: „Wer weiß, was er tut, kann tun was er will.“ Fast unmerklich, meint Schiffke, tastet man sich an die Grenzen heran, schiebt sie hinaus und erweitert dadurch die eigene Bewegungsmöglichkeit.
„Bewegungen werden aufgesplittet, es wird Schritt für Schritt bewusst gemacht, was möglich ist. Wie weit kann ich das Bein noch rotieren, was ist, wenn ich es anziehe, wo kann ich das Bein noch halten, wann kann ich loslassen?“, beschreibt Schiffke die Arbeit. „Man wird feinfühliger. Das ist mit Bewusstheit gemeint.“ Dr. Renate Petschnig dazu: „Der Bewegungsablauf wird vom Feldenkrais-Lehrer nicht nach „richtig“ oder „falsch“ beurteilt. Er zeigt die Möglichkeiten auf und jeder kann auswählen, welche die angenehmste ist.“ Vielfältiges Spektrum: Feldenkrais ist eine Methode für jeden, ob jung ode alt, sportlich oder unsportlich, gesund oder krank. Petschnig selbst empfiehlt immer wieder Patienten, Feldenkrais auszuprobieren: „Wer Probleme hat, mit seinem Körper umzugehen, bekommt eine bessere Einstellung dazu. Es wird die Orientierung des Körpers im Raum geschult. Bei chronischen Schmerzen können Patienten außedem lernen, mit dem Schmerz besser umzugehen. Und es kann bei Patienten helfen, die in Stress-Situationen sind oder mit Doppelbelastungen leben.“ Feldenkrais-Trainer Schiffke ergänzt: „Zu uns kommen auch Spitzensportler, wie Läufer, Reiter oder Golfer, die sich in kleinen, feinen Bereichen Verbesserung erhoffen. Gerade bei diesen Sportarten werden Bereiche ausgeblendet und dadurch die Bewegung blockiert. Zu uns kommen aber auch Schlaganfall-Patienten, die wieder lernen zu gehen. Oder Menschen mit Bandscheiben-Vorfällen, die vielleicht austherapiert sind, aber trotzdem Schmerzen haben. Auch Inkontinenz-Probleme kann man mit Feldenkais in den Griff bekommen und manchmal werden Patientinnen auch von ihrem Gynäkologen geschickt.“ Bei Multipler Sklerose wurde die positive Wirkung zwar nicht nachgewiesen, eine Forschungsgruppe hat aber nachgewiesen, dass MS-Kranke besser mit ihrer Situation umgehen könne. Dank Feldenkrais.
Mag. Lisa Ahammer
Kommentar:
„Die Feldenkrais-Methode ist keine Therapie, sondern eine Lernmethode, wie Bewegungsabläufe optimiert werden können. Es gibt keine Kontraindikationen, man kann also nichts falsch machen. Hilfreich ist diese Methode, um Selbstverantwortung für den eigenen Körper zu erlangen. Feldenkrais hilft auch, besser mit chronischen Schmerzen umzugehen.“
Doz.Dr.Renate Petschnig
Sozialmedizinisches zentrum OSt, Wien