Grundlagen­text

Beweglich bleiben mit der Feldenkrais®-Methode

Für Menschen aller Altersgruppen ist die Feldenkrais®-Methode ein guter Weg, beweglich zu bleiben oder wieder beweglich zu werden. In Österreich sind rund 300 Feldenkrais®-Lehrende tätig. 

Wer zum ersten Mal an einer Feldenkrais®-Gruppenstunde teilnimmt, staunt. Verbal angeleitet vom Feldenkrais®-Lehrer führt man kleine Bewegungen aus, braucht dafür wenig Kraft und kommt weder außer Atem noch ins Schwitzen. Schon nach einer oder wenigen Feldenkrais®- Einheiten stellt man Veränderungen fest: Der Bewegungsradius hat sich erweitert. Bewegungen, die vorher kaum oder gar nicht möglich waren, gelingen wieder und mit neuer Leichtigkeit. Das kann das Strecken eines Armes zur Decke sein, das Drehen über eine Schulter nach hinten oder das Bücken zum Boden.

In mehrerlei Hinsicht unterscheidet sich die Feldenkrais®-Methode von anderen Bewegungsformen.

  • Sie ist eine Lernmethode, die auf der Erkenntnis basiert, dass zwischen Bewegung und Lernen ein enger neuronaler Bezug besteht. Sie nutzt unter anderem, Stichwort Neuroplastizität, die Veränderungsfähigkeit von Synapsen und Nervenzellen.

  • Die Feldenkrais®-Methode schult die Orientierung im Raum und die Fähigkeit, sich – wie beim mentalen Training – Bewegungen vorzustellen. Bei Gruppenstunden zeigen Feldenkrais®-Lehrende die Übungen nicht vor, sondern leiten sie verbal an. So verankern sich die Bewegungen besser im Gehirn.

  • Die Feldenkrais®-Methode kennt kein „Richtig“ oder „Falsch“, sondern orientiert sich an den individuellen Möglichkeiten der jeweiligen Person und unterstützt sie, ihr Bewegungsrepertoire und ihren Bewegungsradius zu erweitern. Gruppenstunden sind daher sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene geeignet.

Die Feldenkrais®-Methode umfasst zwei Varianten

  • Die Einzelarbeit heißt „Funktionale Integration“, abgekürzt FI. Der Klient liegt in bequemer Kleidung auf einer Liege und wird vom Feldenkrais®-Lehrenden meist ohne Worte durch eine Abfolge von Bewegungen geführt. Der Ablauf jeder Stunde ist individuell den unmittelbaren Bedürfnissen und Möglichkeiten des Klienten angepasst. Über sanfte Bewegungen werden Muster geklärt und Möglichkeiten erforscht. Als Klient schult man während der Lektion seine Körperwahrnehmung und bekommt Anregungen, worauf es zu achten gilt. Der Feldenkrais®-Lehrer zeigt einfache Übungen, mit denen man Schmerzen oder Verspannungen vorbeugen und alltägliche Handlungen effizient und kraftvoll ausführen kann.

  • Die Arbeit in der Gruppe heißt „Bewusstheit durch Bewegung“, abgekürzt ATM (Awareness Through Movement). Dabei leitet der Feldenkrais®-Lehrer verbal eine Bewegungsfolge an. Die meisten Feldenkrais®-Lektionen finden im Liegen statt. Der Boden gibt ein gutes Feedback und bietet eine große Unterstützungsfläche. Im Liegen fällt es leichter, die Balance zwischen Spannung und Entspannung zu finden, zudem wird die Atmung freier. Zum Einstieg stellt der Feldenkrais®-Lehrer Fragen: Welche Körperseite fühlt sich länger an, welche schwerer? Wie liegen die Beine, der Rücken, die Schulterblätter, der Kopf auf dem Boden auf? Dann folgt die Feldenkrais®-Lektion, die sich einem spezifischen Thema widmet. Viele Feldenkrais®-Lektionen orientieren sich an der kindlichen Bewegungsentwicklung und an Bewegungen des Alltags. Im Mittelpunkt können Übungen für den Nacken, die Schultern, den Rücken, die Hüftgelenke, die Knie, die Füße oder die Augen stehen. Jede Lektion lehrt die schonende, anatomisch sinnvolle Ausführung der Bewegungen und fördert somit die Beweglichkeit.

Vorbeugend und aktivierend

Unabhängig vom Alter eignet sich die Feldenkrais®-Methode für alle Menschen, die ihre Beweglichkeit wieder gewinnen, erhalten und verbessern wollen. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Feldenkrais®-Methode die Koordination von Bewegungen und das Gleichgewichtsgefühl schult und die Atmung in wohltuender Weise beeinflusst. Dementsprechend breit ist das Angebot der Feldenkrais®-Lehrenden in Österreich. Neben regelmäßigen Kursen und Workshops, die sich einem bestimmten Thema widmen, gibt es Kurse für Babys und Kleinkinder, für Schauspieler und Tänzer, für Schwangere oder für Menschen mit chronischen Krankheiten wie beispielsweise MS.

Der Begründer Moshé Feldenkrais

Als Ingenieur und Judo-Meister untersuchte Dr. Moshé Feldenkrais die Logik der Bewegungen aus unterschiedlichen Perspektiven. Moshé Feldenkrais kam 1904 in der heutigen Ukraine zur Welt und emigrierte als Jugendlicher nach Palästina. Nach einer Knieverletzung befasst er sich systematisch mit dem Lernen am eigenen Körper und entwickelte daraus seine Methode. Nach seiner Ansicht besteht das Bild, das wir von uns selbst haben, aus den vier Komponenten denken, fühlen, spüren (kinästhetische Körperempfindung) und tun (Bewegung). Diese Komponenten stehen miteinander in Verbindung und sind in unterschiedlicher Gewichtung an jeder Handlung beteiligt. Sobald wir eine dieser Komponenten verändern, hat dies einen Effekt auf die anderen Bereiche.

1955 eröffnete der leidenschaftliche Forscher sein erstes Studio in Tel Aviv. Als Trainer, Lehrer und Therapeut war Moshé Feldenkrais in den USA, in zahlreichen europäischen Ländern und in Israel tätig. Seine Methode beschrieb er in mehreren Büchern. Moshé Feldenkrais starb 1984 in Tel Aviv.

Sein wohl bekanntester Klient war der erste israelische Ministerpräsident Ben Gurion (1886-1973). Moshé Feldenkrais arbeitet mit Ben Gurion, als dieser massive Rückenbeschwerden hatte und brachte ihm unter anderem den Kopfstand bei, verewigt auf Fotos und in Form einer Statue am Strand von Tel Aviv.

Der Feldenkrais® Verband Österreich


Der Feldenkrais® Verband Österreich feierte 2020 sein 30-jähriges Bestehen und zählt rund 300 Mitglieder in ganz Österreich. Die Feldenkrais®-Ausbildung findet nach international einheitlichen Standards statt. Sie dauert mindestens 160 Tage, die sich auf drei bis fünf Jahre verteilen. Das Ausbildungsteam ist international und wechselt, sodass die Auszubildenden unterschiedliche Stile und Zugangsweisen kennenlernen.
Einen guten Feldenkrais-Lehrenden zeichnet aus, dass er oder sie eine mehrjährige zertifizierte Ausbildung absolviert hat und offen für den Dialog mit der Schulmedizin ist.

Die Feldenkrais®-Methode ist international verbreitet. Seit Kurzem finden Ausbildungen auch in China, Taiwan und Russland statt. Die Feldenkrais®-Methode kommt dort unter anderem auch deshalb an, weil sie die östliche Bewegungskultur mit westlicher Wissenschaft vereint.